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Jedes dritte Unternehmen in Deutschland erhöht 2020 die Investitionen in Plattformen

Von Hamidreza Hosseini und Holger Schmidt

Deutsche Unternehmen sehen die Plattformökonomie weiterhin ambivalent: 40 Prozent der Unternehmen sehen Plattformen als Chance, aber genauso viele Unternehmen nutzen Plattformen bisher nicht, zeigt eine Repräsentativumfrage des Bitkom unter 502 Unternehmen in Deutschland. Bitkom-Präsident Achim Berg hält dieses Zögern für gefährlich. „Jede Branche und jedes Unternehmen muss sich mit digitalen Plattformen beschäftigen. Die Bedeutung und gerade auch die Chancen digitaler Plattformen werden in der deutschen Wirtschaft immer noch unterschätzt.“ Immerhin: 55 Prozent der Unternehmen haben ihre Investitionen in Plattformen in diesem Jahr aufgestockt und ein Drittel will auch im kommenden Jahr trotz Konjunktureintrübung mehr Geld in dieses digitale Geschäftsmodell investieren, zeigt die Umfrage.

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Abbildung 1: Investitionen in Plattformen in Deutschland

Rund zwei Drittel der Unternehmen sehen in Plattformen zwar mehr Vorteile als Nachteile, aber 27 Prozent erwarten, dass Plattformen ihre Existenz gefährden. Die Gründe für die negative Haltung liegen vor allem in einem einfachen Marktzutritt für neue Wettbewerber und dem harten Preiswettbewerb auf Plattformen. Beide Effekte werden die Kunden allerdings eher freuen, die immer größere Teile ihres Konsums in Richtung der Plattformen wie Amazon, Zalando oder About You verschieben. Plattformen zu ignorieren reduziert den adressierbaren Teil in vielen Konsumentenmärkten jedes Jahr um einige Prozent.   

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Abbildung 2: Nutzen/Gefahren digitaler Plattformen

Rund ein Zehntel des Welt-Bruttoinlandsprodukts hat sich inzwischen in die Plattformökonomie verschoben. 7 der 10 wertvollsten Unternehmen der Welt arbeiten inzwischen nach diesem Modell. Auf den B2B-Märkten steigt die Bedeutung der Plattformen ebenfalls schnell, da gerade Handels- und Industrieplattformen in aller Welt aufgebaut werden. Entsprechend messen die deutschen Unternehmen den Plattformen auch in 10 Jahren eine wichtige Rolle bei, zeigt die Umfrage. Drei Viertel sehen die wachsende Bedeutung übrigens auch im eigenen Unternehmen. Derzeit ist es allerdings noch schwierig, Plattformen im B2C-Umfeld zu etablieren.

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Abbildung 3: Wichtigkeit der Plattformen in 10 Jahren

Den Unternehmen ist der Nachholbedarf aber durchaus bewusst. Der überwiegende Teil der Befragten fordert daher mehr Engagement von der Politik beim Aufbau der Plattformen. Vier von fünf Unternehmen befürworten eine aktivere Rolle als Plattformbetreiber (und nicht nur als Anbieter oder Nachfrager auf einer fremden Plattform). Ein Viertel der Befragten ist allerdings der Meinung, Unternehmen sollten sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren und sich nicht von Plattformen ablenken lassen. In Krisenbranchen könnte diese Einstellung künftig wieder häufiger zu hören sein. Spannend ist ebenfalls die Sicht der 66 Prozent der Nicht-Nutzer, die Plattformen fern bleiben möchten. Hier wird deutlich, dass je nach Branche oder Geschäftsfeld die mögliche Gefahr ignoriert wird, um die Geschäftsinteraktionen nachhaltig für die Zukunft abzusichern.

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Abbildung 4: Mehr Engagement für Plattformen

Sicherlich werden nicht alle linearen Geschäftsmodelle von den Plattformen angegriffen oder in die Plattformmarktschicht verlagert. Dennoch scheint die Haltung hinsichtlich der fehlenden Relevanz der 39 Prozent der Befragten (s. u. Abbildung 5: 30 Prozent hinsichtlich der Irrelevanz und 9 Prozent hinsichtlich der fehlenden Nutzung) im Kontrast zu den Ergebnissen hinsichtlich der Gefährdung der Existenz der Unternehmen (siehe auch Abbildung 2: 27 Prozent der Befragten sehen eine Gefährdung) zu sehen. 

Als größte Hemmnisse für den Einsatz digitaler Plattformen nennen die Plattform-Nutzer Anforderungen an den Datenschutz (64 Prozent), Anforderungen an die IT-Sicherheit (55 Prozent) und fehlendes qualifiziertes Personal (54 Prozent). Ein unzureichendes Budget (19 Prozent) oder fehlender wirtschaftlicher Nutzen (11 Prozent) spielen demgegenüber nur eine geringe Rolle, dies sind jedoch für die Nicht-Nutzer von Plattformen gewichtige Hemmnisse: 60 Prozent geben fehlendes Know-how, 52 Prozent fehlenden wirtschaftlichen Nutzen und 39 Prozent ein unzureichendes Budget als Gründe an, Plattformen nicht einzusetzen.

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Abbildung 5: Relevanz der Plattformen für deutsche Unternehmen

Die Vorteile einer Plattform werden vor allem in einem breiteren Angebot, der Gewinnung neuer Kunden und der Sicherung der Zukunftsfähigkeit gesehen. Auch Bekanntheit und Innovationen profitieren von Plattformen, erwarten die befragten Unternehmen. Hier zeichnet sich ein möglicher Indikator ab, bei dem deutlich wird, dass eventuell das Wissen über die Plattformen nicht ausreicht. In der Regel wird der Begriff der Plattformen in unterschiedlichen Kategorien wie technische Plattformen, Handelsplattformen, E-Commerce Seite oder Marktplatz definiert. Dies führt in der Regel zu einer möglichen individuellen Interpretation der Vorteile einer Plattformen - je nach Perspektive und Verständnis, wie der Begriff definiert oder interpretiert wurde.

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Abbildung 6: Erwartete Vorteile der Plattformen

Bei den erwarteten Nachteilen wird deutlich, dass viele Unternehmen Ängste hinsichtlich der Macht und Einfluss von Plattformen verspüren, die es auch in den klassischen oder analogen Märkten gibt. So geben 65 Prozent der Befragten an, dass der Marktzutritt für neue Wettbewerber einfacher wird, 55 Prozent sind der Meinung, dass der Preisdruck erhöht wird und 55 Prozent gaben an, dass auch die direkte Kundenbeziehung verloren geht. Alle diese Faktoren treten ebenfalls in klassischen und/ oder analogen Märkten auf. Somit scheint es aufgrund der individuellen Interpretation unterschiedliche Blickwinkel bzgl. der Nachteile der Plattformen (ähnlich wie bei den Vorteilen) zu geben.

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Abbildung 7: Erwartete Nachteile der Plattformen

Jedes zweite Unternehmen glaubt, dass sich auf Dauer nur eine Plattform für einen Zweck auf dem Markt halten kann und so ein Monopol entstünde. „Die Geschichte vom Plattform-Monopol ist aber ein Märchen“, findet Achim Berg. So gebe es im E-Commerce-Markt, auf dem sich die Entwicklung der Plattformen gut verfolgen lässt, zwar nur wenige globale Player, die einen großen Marktanteil auf sich vereinen. Dahinter sei aber eine ganze Reihe von nationalen Anbietern entstanden und eine Vielzahl von Plattformen besetzten zudem größere oder kleinere Nischenmärkte. Berg: „Auf jedem Markt gibt es Platz für mehr als eine digitale Plattform. Und die Karten werden in der digitalen Welt ständig neu gemischt – selbst heute führende Plattformen können in einigen Jahren von neuen Wettbewerbern überholt werden.“ Die Wachstumszahlen bestätigen seine These: Viele neue Wettbewerber wie Pinduoduo, Wish oder About You wachsen wesentlich schneller als die Global Player Amazon oder Alibaba.

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Abbildung 8: Wachstum der Handelsvolumina der E-C-Plattformen

Aus der Studie wird deutlich, dass das Thema Plattformen inzwischen in den Unternehmen angekommen ist. Hier zeichnet sich eine recht heterogenes Bild ab, was das Know-how, die individuellen Sichtweise und etwaige Chancen und Risiken bezüglich der Plattformen betrifft. Um die genannten Hemmnisse wie die Anforderungen an den Datenschutz und die IT-Sicherheit sowie fehlendes qualifiziertes Personal zu meistern, ist die Bildung einer Plattform-Initiative in einem separaten Umfeld bzw. separaten Unternehmen in der Regel unumgänglich (u. a. um gesetzeskonforme neue IT- und Datenschutz-Richtlinien für das Plattformunternehmen aufzusetzen oder mit Start-Ups oder mit einem Ökosystem zu kooperieren). Klassische interne Richtlinien sind meist zu starr, um die Voraussetzung hinsichtlich der operativen Bereitschaft der Plattformen und Umgang mit dynamischen Ökosystemen und flexiblen Allianzen zu erfüllen.

Das betrifft auch die Angaben der Nicht-Nutzer von Plattformen hinsichtlich der Hemmnisse: 60 Prozent geben fehlendes Know-how, 52 Prozent fehlenden wirtschaftlichen Nutzen und 39 Prozent ein unzureichendes Budget als Gründe an, Plattformen nicht einzusetzen. Hierbei gibt es ebenfalls Ansätze, um zum Beispiel in einem Mix von internen MitarbeiterInnen und externen Experten einen Wissenstransfer herzustellen, die Geschäftsidee im Vorfeld hinsichtlich des wirtschaftlichen Nutzens zu untersuchen und zuletzt das Budget nach Erfolg aufzustocken (ähnlich, wie es Start-Ups schaffen). Allerdings muss sicherlich beachtet werden, dass nicht jedes kleinere Unternehmen tatsächlich die Budgets aufbringen kann. Hier kann zum Beispiel ein Start-Up Angang (Geschäftsidee konzipieren, Prototyp oder Minimum Viable Product aufbauen und Investoren suchen) ein möglicher Weg sein.